Auf vier Wochen Eingewöhnungszeit hatte ich mich eingestellt. Und danach noch die verbleibenden Vormittage genießen, bevor der Job wieder startet. Aus vier Wochen wurden beinahe sieben. Und dann ist da diese Wahnsinnsgeschichte eines befreundeten Mädchens, das die Eingewöhnung in weniger als zwei (!) Wochen gewuppt hat. Dieser Vergleich zeigt schnell, dass kleine Kinder nicht vergleichbar sind. Jedes Kind ist anders, bringt ein anderes Set an Fähigkeiten, Interessen und Wesensarten mit. Aber gibt es Dinge, die alle Eltern gleichermaßen in der Eingewöhnungsphase beachten können, um es ihren Kindern leichter zu machen?
1. Gebt den Kleinen die Zeit, die sie brauchen
Klar, ne. Klingt neunmalklug, habt ihr euch sicher auch schon gedacht – ist in der Praxis aber manchmal gar nicht so einfach. Wir hatten das große Glück, meinen Jobstart so legen zu können, dass wir ordentlich Zeitpuffer hatten. Wie sich letzten Endes gezeigt hat, war das ja dann auch nötig. Empfohlen werden etwa vier bis sechs Wochen:
Das Kind soll das Tempo bestimmen, so dass Eltern und Einrichtung die nötige Zeit einplanen müssen, um für alle Eventualitäten bezüglich der Dauer der Eingewöhnung gerüstet zu sein.
(Tanja Spieß, Sozialpädagogin B.A.)
Dabei geht es nicht nur darum, möglichst entspannt bleiben zu können. Vor allem Einzelkinder sind die Bakterien- und Virenlandschaft einer Betreuungseinrichtung nicht gewohnt, so dass die Eingewöhnung aufgrund von Krankheit pausiert werden muss. Das muss nicht, aber kann die zuvor aufgebaute Bindung zur/zum Bezugserzieher*in wieder zurückwerfen.
Die Autorinnen des Artikels “So gelingt der Start in die Kita” (Marlen Bauer, Katharina Klamer und Melanie Veit) erklären, warum es so wichtig ist, dass diese Phase ganz individuell an das jeweilige Kind angepasst wird:
2. Lasst los
Ganz ehrlich: es viel mir so schwer, den Kleinen in der Kita zum ersten Mal “alleine” zu lassen. Denn genau dieses Gefühl beschlich mich: dass ich ihn irgendwie im Stich lasse, ohne sein Einverständnis. Ich hörte ihn nach dem Verabschieden weinen und wollte am liebsten sofort zurück stürmen – aber nach wenigen Minuten war hinter der Tür Ruhe. Die Erzieherin hat ihn getröstet, es war für ihn alles okay. Für mich deshalb noch lange nicht. Ganz beklommen saß ich ihn der Garderobe und habe auf die Uhr geschaut. Wie zäh Minuten doch vergehen können. Jetzt tröstet die Erzieherin ihn, dabei ist das doch mein Job! Was da doch emotional alles mit rein spielt: ob es nicht doch besser wäre, noch nicht arbeiten zu gehen? Die Pädagogen Wilfried Griebel und Renate Niesel haben dieses Gefühlschaos bei Eltern wissenschaftlich unter die Lupe genommen:
Die Eltern müssen sich mit ihrer Identität als Eltern in einer Gesellschaft auseinandersetzen, deren weithin akzeptierten Normen eine Betreuung des kleinen Kindes außerhalb der Familie widerspricht. Entgegen einem häufigen Schuldgefühl müssen sie ein positives Selbstbild entwickeln und Kompetenzen als Eltern gewinnen.
Und dann seien wir mal ganz ehrlich, liebe Mit-Mamis: es fällt doch auch ein bisschen schwer zu sehen, dass da eine “fremde” Person im Grunde den halben Tag Hauptbezugsperson sein soll. Wenn ich mich erinnere, wie supersensibel ich gerade in der Säuglingszeit war, wenn nur jemand ihn kurz auf den Arm nehmen wollte. Und jetzt das! Aber:
Die Eltern müssen (…) akzeptieren, dass die Beziehung ihres Kindes zu dieser Fachkraft eigenständig ist und keine Konkurrenz zu ihrer Eltern-Kind-Bindung bedeutet.
(Siehe ebenfalls hier)
Eingewöhnung ist eben nicht nur eine stressige, fordernde Phase für unsere Kleinen. Auch wir Eltern müssen an uns arbeiten, uns mit Ängsten und Sorgen auseinandersetzen und eben “los lassen”.
In der Eingewöhnungsphase habe ich Noahs Bezugserzieherin gefragt, ob es denn etwas gäbe, womit ich es ihm noch leichter machen könne. Sie meinte, wir machen alles gut (puh!). Es gebe Eltern, die ihre Kleinen auf dem Schoß sitzen hatten, ihre Arme (vielleicht unbewusst) um sie geschlungen – dass das selbstverständlich eher schwierig für die Minis sei.
3. Seid positiv – aber lasst Emotionen zu
In der Eingewöhnungsphase ging es mir stellenweise echt nahe, mir graute vor dem Verabschieden und den Tränchen. Trotzdem haben wir uns bemüht, Noah gegenüber fröhlich zu sein und die Kinder und Erzieherinnen der Kita in unsere Konversation mit dem Mini einzubauen.
Schon morgens auf dem Wickeltisch zählten wir die Kinder und Erzieherinnen auf, die er gleich sehen würde, wie in einem Spiel. Jetzt, wo er sprechen kann, macht er das zum Teil immer noch gerne und setzt nach jedem Namen schelmisch lächelnd ein erwartungsvolles “uuuund?” hinterher, damit wir noch mehr seiner Kita Kontakte aufzählen. Zu diesem Punkt kann ich euch keine wissenschaftliche Evidenz liefern, aber: jeden Morgen, beim Anziehen, haben wir ihm schon gut gelaunt gesagt “jetzt gehen wir in die Kitaaaa” und als dann zum ersten Mal ein ebenso fröhliches “jaaaaaaaaa” seinerseits als Echo kam, hat das einfach ein gutes Gefühl gegeben.
Eine Berliner Kita schreibt in ihrem Elternbrief:
Viele Eltern sind in den ersten Trennungstagen sehr traurig, ängstlich oder auch im Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Hier hilft Ihnen sicherlich ein Gespräch mit den Erzieherinnen, der Leiterin oder mit anderen Eltern, die ähnliche Erfahrungen haben. Wenn Sie selbst eine positive Einstellung zur Erzieherin und zur gesamten Kita haben, wird Ihr Kind diese sicherlich übernehmen.
4. Aktives Verabschieden
Es wäre so verlockend… Einfach wenn der Kleine fröhlich spielt oder sonst wie angelenkt ist, davon schnurksen… All das Drama und die Tränen würden uns erspart bleiben. Oder? Aber trotzdem legen die Erzieher*innen großen Wert darauf, dass wir uns klar verabschieden. Und das mit gutem Grund:
Sich “wegzuschleichen”, ohne sich vom Kind zu verabschieden, ist auf keinem Fall eine Option: Das Vertrauen des Kindes würde dabei langfristig aufs Spiel gesetzt, die sichere Bindung riskiert. So würde es lernen, dass immer, wenn es einmal entspannt spielt, die Mama plötzlich weg sein könnte.
Wie umfangreich diese Verabschiedung dann aussehen muss, ist wieder eine andere Frage. Gerade bei Kleinkindern nützt es wohl noch nicht wirklich etwas, großartig zu erklären, dass man sie nach dem Einkaufen oder nach 10 Minuten wieder abholen würde. Ob aber der Abschied mit Umarmen oder durch ein entferntes Winken, ganz wortreich oder durch ein knappes “Tschüss, bis später” stattfindet – das ist wiedereinmal ganz und gar von eurem Kind und euch abhängig. Im Zweifel, fragt bei eurer/eurem Erzieher*in nach, was sie empfehlen würden.
Diese vier Tipps haben zumindest bei uns gefühlt am meisten geholfen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Was war euch wichtig?
11 Comments
Selbst Geschwisterkinder sind da unterschiedlich. Bei unserem Sohn ging die Eingewöhnung auch recht schnell und unproblematisch. Unsere Tochter hat deutlich länger gebraucht. Sie hat aber auch schon immer mehr gefremdelt und tut sich auch jetzt noch mit neuen Gesichtern schwerer als ihr Bruder in dem Alter.
Deine Tipps treffen aber den Nagel auf den Kopf. Ich bin zwar als DDR-Kind dem Thema Kindergarten wahrscheinlich sowieso aufgeschlossener gegenüber, weil man es damals einfach nicht anders kannte und ich nur positive Erinnerungen an die Zeit im Kindergarten habe. Aber auch meine Erfahrung als Mutter hat mir gezeigt, dass Kinder sich unter anderen Kindern am wohlsten fühlen.
LG Michaela
Hallo, auch wenn dein Artikel schon ein paar Monate alt ist bin ich soeben über ihn gestolpert. Weil das Thema bei uns gerade extrem angesagt ist, meine Tochter ist gerade in der Eingewöhnung. Habe dazu auch etwas geschrieben, vielleicht interessiert es dich ja, wir sind uns da wohl recht einig ?!
https://fulltime-mami.blogspot.de/2017/11/kita-eingewohnung-nach-dem-berliner.html?m=1
A super, danke. Ich schau gleich mal vorbei, wie das bei euch so läuft. Alles Gute für euch ❤️
Das sind tolle Tipps und gerdade wir Eltern können zu einer sanften Eingewöhnung so viel beitragen. Bei uns ist due Eingewöhnung mit dem Kleinen gerade vorbei. Ein wahnsinns Unterschied zwischen ihm und seinem großen Bruder. Habe dazu auch zwei Artikel auf meinem Mamablog verfasst. Freue mich wenn du vorbeischaust. https://www.mamikiste.de
Danke dir! Das mache ich die Tage in Ruhe! Habt eine schöne Vorweihnachtszeit ❤️
Liebe Sabine. Danke für die schönen Worte. Das”Loslassen” der Mutter bzw das ungute und herzzerreissende Gefühl, wenn ich mein Kind das erste mal in fremde Hände gebe ist m.E. vollkommen richtig. Um nicht zu sagen ist es ein ganz natürliches Mittel der Natur. Wir leben nur leider wider der Natur.. Wir unterliegen gesellschaftlichen Zwängen (und Möglichkeiten, die wir wahr nehmen wollen oder gar müssen). Ganz unreflektiert habe ich mit eben jenem Schmerz nach 12 Monaten meine erste Tochter abgegeben. Und ja, die Erzieherin wollte dass ich mich davon schleiche (obwohl ein gescheiter Abschied das Mindeste war, was ich ihr geben wollte).. Nach 3 Tagen habe ich das Projekt “Krippe” auf Eis gelegt. Habe mit meinem Partner und meinem Arbeitgeber Alternativen besprochen und mein Kind dann mit 3 und zwar ohne diesen Schmerz im Kiga angemeldet. Es war eine aufrichtige Eingewöhnung. Es flossen auch Tränen, aber es war für mich und mein Kind tragbar. Mittlerweile bin ich Mutter von 3Kindern. Es ist jedes anders. Aber ich habe gelernt auf mich und meine Gefühle zu hören und denke ich kann behaupten, dass es das beste für uns alle war (nicht nach “Plan” in Krippe abzugeben). Dass ich unsere Kinder in der Kleinkindzeit betreue schiesst mich immens nach hinten in meiner Karriere. Aber ich hatte das Gefühl dass ich es ausbade oder dann meine Kinder. Und auf deren Schultern sollte es nicht liegen..
Liebe Martha, es ist ganz wunderbar, sodass ihr euren Weg gefunden habt und es klappt, dass einer von euch beiden Elternteilen zuhause bleiben kann. Ich wünsche euch alles Gute!
Hallo Sabine,
danke, dass Du dieses wichtige Thema aufgegriffen hast. Ich finde, alle beteiligten müssen sich mit der “Fremdbetreuung” wohlfühlen. Die fremden Erzieher sollten für Eltern und Kind am besten den Status “vertraute Freunde” haben, bei denen sich die Mama oder der Papa nicht “wegschleichen” müssen, dann klappt’s bestimmt. Meine liebe Evelin – von Beruf Erzieherin – hat gestern in unserem Blog einen (in meinen Augen) sehr wertvollen und hilfreichen Beitrag darüber verfasst, wie die Eingewöhnung bindungsorientiert und entspannt ablaufen kann: https://freeyourfamily.net/2018/05/entspannte-eingewoehnung/
Liebe Grüße
Patrick
Toll, Danke! Schau ich mir gerne an. Alles Liebe für euch!
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