Vegane Kinderernährung – gesund oder riskant?

4. August 2017

Vor einigen Wochen geisterte ein trauriger Fall durch die Medien. Ein Säugling starb an Mangelernährung:

Das Elternpaar betreibt einen Naturkostladen und ließ sich offenbar von Kunden dazu überreden, seinem Sohn statt der künstlicher Säuglingsnahrung Reis-, Hafer-, Buchweizen- und Quinoamilch zu geben. Einen Arzt oder Ernährungswissenschaftler konsultierten sie nicht.

(Quelle: http://meedia.de/)

Bild: https://pixabay.com

Für viele Kritiker*innen am veganen Lebensstil ein gefundenes Fressen. Sie machten vegane Ernährungsweise für den tragischen Tod des Säuglings verantwortlich. Auch wenn das so nicht zutrifft, sondern die Eltern andere Motive im Hinterkopf hatten – das Bild blieb für viele Menschen im Kopf.

Vegane Ernährung sei gefährlich für Babies und (Klein-) Kinder oder führe zu Mangelerscheinungen.

Für mich selbst wäre vegane Ernährung nix, auch wenn ich die Konsequenz sehr bewundere. Ich liebe guten Käse und Milchprodukte. Fleisch gibt es bei uns selten und wenn, dann achten wir auf eine gute Qualität, bzw. Biofleisch.

Trotzdem war ich neugierig. Wie geht eine vegan lebende Mutter damit um, wenn so ein stummer oder auch offen ausgesprochener Vorwurf im Raum steht? Eine liebe Bekannte von mir hat mir meine Fragen dazu beantwortet, hat aber darum gebeten, anonym bleiben zu können. Ich nenne sie hier Maria. Sie hat ein 8 Monate altes Baby.

Mum & still me: Du selbst ernährst dich vegan. Wieso ist es dir wichtig, dass auch dein Baby so isst?

Maria: Wie den meisten Eltern ist es mir wichtig meinem Kind die Werte zu vermitteln und mit auf den
Lebensweg zu geben, welche für mich von Bedeutung sind. Solange mein Mann und ich noch für
unser Kind entscheiden müssen, lebt es unseren Alltag mit, ganz genau so wie in allen anderen
Familien. Bei uns ist dieser Alltag vegan.

Mum & still me: Gibt es auch vegane Säuglingsmilch und was ersetzt dann dabei die Kuh- oder Ziegenmilch, die gewöhnlich verwendet wird?

Maria: Es gibt Säuglingsnahrung auf Soja und Reis Basis. Eine 100% vegane habe ich bei meinen
Recherchen nicht gefunden. Es ist aber lediglich das Vitamin D tierischen Ursprungs. Somit sind
beide Optionen eine gute Zwischenlösung, wenn notwendig.

Bild: https://pixabay.com/

Mum & still me: Was sind die häufigsten Vorurteile, mit denen du konfrontiert wirst?

Maria: Erstens, vegan ist gleich gesund. Es verwundert viele Menschen, dass es auch dicke Veganer gibt, weil allgemein angenommen wird, dass eine vegane Ernährung automatisch gesund ist. Das ist tatsächlich nicht wahr. Egal mit welcher Ernährungsform, eine ausgewogene und gesunde Ernährung muss gut geplant und achtsam sein. Pommes mit Ketchup sind vegan und nicht gesund, das dürfte wohl jedem einleuchten.
Zweitens, vegan bedeutet Nährstoffaufnahme durch Tabletten.

Viele gehen davon aus, dass man als Veganer lauter Nahrungsergänzungsmittel zum Ausgleich einnehmen muss. In Wirklichkeit bezieht sich das lediglich auf das Vitamin B12, welches in einer rein pflanzlichen Ernährung nicht vorkommt.

Drittens, vegan ist gleich langweiliges Essen. Wenn ihr wüsstet!!!

Was die Kinderernährung angeht bin ich bisher noch nicht wirklich mit Vorurteilen konfrontiert
worden. Eher mit besorgten Nachfragen aufgrund der angeblich an veganer Ernährung gestorbenen
Babys, welche leider einfach „nur“ unverantwortliche Eltern hatten.

Mum & still me: Musstest du dich auch schon einmal mit jemandem darüber streiten? Wie begegnet eure Familie eurer Ernährungsweise?

Maria: Wenn ich gewollt hätte, hätte ich mich schon oft über vegane Ernährung und auch vegane
Kinderernährung streiten können. Ich begegne Kritikern immer mit viel sachlicher Information in
ruhigem Ton, so dass meinem Gegenüber letztendlich einfach die Argumente fehlen. Außerdem
beende ich auch viele Unterhaltungen wenn ich merke, dass ich uninformiert kritisiert werde.

Ich muss mich nicht rechtfertigen und schon gar nicht gegenüber Menschen welche einfach keine Ahnung von Nährstoffen und Ernährung im Allgemeinen haben, sich womöglich dazu noch grottenschlecht und unausgewogen ernähren, aber meinen mir Vorwürfe machen zu müssen…

Wer informiert ist, wird mir sicher keine Vorwürfe machen.
In der Familie haben wir alles von Totschweigen, weil Veganer für eine Sekte gehalten werden und
vegane Kinderernährung für grausam bis schwachsinnig gehalten wird, bis hin zu absoluter Toleranz und
Selbstverständlichkeit mit vollstem Vertrauen.

Mum & still me: Ist es viel komplizierter, ein Baby vegan zu ernähren? Müssen zusätzliche Nährstoffe zugeführt werden?

Maria: Ein Baby vegan zu ernähren, welches voll gestillt wird, ist sehr einfach, es bekommt Muttermilch,
Punkt. Empfohlen wird eine Supplementierung von Vitamin D (wie für alle anderen Babys in
Deutschland auch) und B12 (wobei nicht vegane Mütter ohne B12 Mangel ihre Babys auch nicht
supplementieren und ich dies deshalb nicht mache und auch nicht für sinnvoll halte.)

Mein Sohn bekommt alles über die Muttermilch, ich selbst habe keinen B12 Mangel, also alles schön.

Wenn Prenahrung gegeben werden muss, ist da eigentlich auch alles drin was das Baby braucht,
also denke ich nicht, dass hier noch zusätzlich etwas zugeführt werden müsste.
Die Beikosteinführung hat ja den Rückhalt der Muttermilch bzw. Prenahrung, somit mache ich mir
solange ich stille keine großen Sorgen. Später muss allerdings in Bezug auf einige kritische
Nährstoffe darauf acht gegeben werden, dass auch sicher die Nahrung angeboten wird welche diese
enthält. Ich würde aber nicht sagen, dass das komplizierter ist denn, wie bereits oben erwähnt, eine
gesunde Ernährung muss immer gut geplant sein.

Mum & still me: Hast du Literaturtipps oder Websites, die für dich zur Information hilfreich waren?

Maria: Ein übersichtlicher und gut verständlicher Ratgeber ist „Vegane Ernährung – Schwangerschaft,
Stillzeit und Beikost“ von Dr. Markus Keller und Edith Gätjen.
Über die Web des VEBU (Vegetarierbund Deutschland) bekommt man auch sehr viel
zuverlässige Information und den Blog www.tofufamily.de finde ich persönlich auch ganz toll.

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