Zurück in die Zukunft: Familie als Reproduktionsmaschinerie für “gute Deutsche”

17. September 2017

Ich habe lange überlegt, ob ich eine Wahlempfehlung auf diesem Blog schreiben möchte. Ich bin bei den Grünen, daraus mache ich keinen Hehl und das ist auch allgemein bekannt – aber mein Blog soll neutral sein. Dafür gabs zum Beispiel auch meinen familienpolitischen Vergleich der Parteien, die zur Bundestagswahl antreten.

Aber als ich heute gelesen habe, dass die AfD kurz davor steht, in Deutschland drittstärkste Kraft zu werden, war ich gelinde gesagt schockiert.

Jetzt muss ich mit dem Neutralitätsgebot eine Ausnahme machen. Denn es steht zu viel auf dem Spiel und ich kann nicht länger schweigen.

Auch mich kotzt es an, dass Politiker*innen dazu neigen, Wasser zu predigen und Wein zu trinken. Auch ich bin genervt von den immergleichen Worthülsen, die uns seit Wochen um die Ohren gehauen werden. Aber nie, niemals, würde es für mich in Frage kommen, mich von den Versprechungen der vermeintlichen “Alternative” einlullen zu lassen. Warum?

Zurück in die Zukunft: Familie als Reproduktionsmaschinerie für “gute Deutsche”

Nicht jede*r in der AfD ist ein Nazi. Aber: Die Partei ist durch und durch unterwandert von Rechtskonservativen – im besten Fall – bis hin zu bekannten und brandgefährlichen Rechtsextremisten. Ein Beispiel: ganz offen erklärt Petr Bystron, Vorsitzender der AfD Bayern und Bundestagskandidat auf einem aussichtreichen Listenplatz, seine Sympathien für die Identitäre Bewegung. Habt ihr davon schon einmal gehört? Ich zitiere mal eben Wikipedia, der Artikel bringt es in einem Satz auf den Punkt:

Die Ideologie der Identitären Bewegung folgt dem Konzept des Ethnopluralismus, das statt von einer biologisch gestifteten Einheitlichkeit einer Volks- und Abstammungsgemeinschaft, wie sie etwa im NS-Rassismus dominant war, die kulturelle „Reinhaltung“ der Gesellschaft anstrebt.

Zum anderen vertritt die AfD eine Familienpolitik der Ausgrenzung und sieht Familie als Mittel zum Zweck des Erhalts “unserer angestammten Bevölkerung” (Quelle: Zeit). Hatten wir schonmal so ähnlich.

Da ist so viel krasser Mist enthalten, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen und aufhören soll.

Alleinerziehende, zum Beispiel, sollen danach untergliedert werden, “ob die Lebenssituation schicksalhaft, durch Selbstverschulden oder auf Grund eigener Entscheidungen zustande gekommen ist” (S. 38, AfD Wahlprogramm). Alter Schwede. Unterstützung vom Staat soll es also nur noch für die Eltern geben, die “den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an der Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung” hinaus gedrängt hätten (S. 38, AfD Wahlprogramm). Mal von persönlicher Freiheit abgesehen – wie zum Henker wollen die das denn bitte feststellen?

Ganz großes Tennis auch: die Einführung einer Art “Ehekredits”, bei dem man umso weniger Geld zurück zahlen muss, umso mehr Kinder man in die Welt setzt. Wenig überraschend erteilt die AfD auch Regenbogenfamilien eine Absage (S. 40): “Die AfD will, dass sich die Familienpolitik des Bundes und der Länder am Bild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern orientiert. Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen (…).”

(Kleine Anekdote am Rande: Alice Weidel, die Spitzenkandidatin der AfD, hat selbst mit ihrer Lebensgefährtin zusammen ein Kind. Aber gut.)

Leute, ich meine es ernst. Bei allem Respekt für angebrachten Frust und das Gefühl, vom Staat alleine gelassen zu werden – das geht mal gar nicht. Es gibt genügend andere Möglichkeiten, seine Stimme zu erheben und bei den Wahlen geltend zu machen.

Friedemann Karig hat kürzlich auf jetzt.de erklärt, warum der “Kampf” gegen die AfD oft nichts bringe. Und er hat damit wohl vielleicht auch recht. Aber das musste jetzt einfach mal raus. Seine Gedanken finde ich trotzdem super und deshalb möchte ich sie euch als Wahlempfehlung ans Herz legen:
“Es gibt sehr viele sporadische Nichtwähler. Die entscheiden relativ spontan, ob und was sie wählen. Man kann immer wieder versuchen, ihnen last minute zu verklickern, dass ihre Stimme bei der AfD verschenkt ist.
Zweitens: Je höher die Wahlbeteiligung insgesamt, desto weniger Prozent für die AfD. Jeder, der doch noch wählt, hilft.
Drittens: Ehrliche Wahlempfehlungen. Wer weniger Flüchtlinge will, ist bei der CDU momentan wunderbar aufgehoben. Wer eine andere Russlandpolitik will, bei der Linken. Wer eine unsympathische Kleinpartei wählen will, die von unten nach oben verteilt, hat die FDP. Die AfD hat auch so viele Wähler, weil die anderen Parteien diese Leute vernachlässigen, obwohl sie eigentlich deren Politik machen.” (Quelle: http://www.jetzt.de/politik/die-afd-im-bundestagswahlkampf)

Ich hoffe ihr verzeiht mir meinen kleinen Rant, das ist ja sonst so gar nicht meine Art. Aber was hier gerade droht zu passieren, ist eine mittelschwere Katastrophe für unser Nachkriegsdeutschland, unsere Demokratie, unsere Freiheit.

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2 Comments

  • Reply Alu 17. September 2017 at 22:21

    Ich stimme dir zu, das Familienbild der AFD ist sehr besorgniserregend. Leider lesen genau diese potentiellen Wähler das Programm nicht…schade, schade. Lg Alu

  • Reply URL 22. November 2020 at 19:55

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