Mütter Bashing aka Schadet die Kita meinem Kind?

17. Februar 2020
Schadet die Kita meinem Kind`Kinderhände

Irgendwie ist das doch vollkommen irre. Dass wir Mütter uns gegenseitig das Leben schwer machen, obwohl es doch so schon anstrengend genug ist. Es wäre doch so schön, sich gegenseitig zu stärken, den Rücken frei zu halten. Stattdessen wird verglichen, verurteilt, schlechtgeredet. Der Klassiker: “Ich würde mein Kind nie so jung in die Kita geben. Wofür habe ich es denn bekommen?” So ungefiltert wurde mir das noch nie entgegen geschleudert. Aber im Netz sind Menschen scheinbar offener, als im echten Leben. 

Bäm. Da sitzt er. Der Zweifel. Schadet die Kita meinem Kind?

Was mache ich da eigentlich? Mit meinem Leben? Meinen Kindern? Tue ich ihnen womöglich großes Unrecht, indem sie unter der Woche täglich in der Kinderbetreuung sind? Schadet es ihnen sogar? Rabenmutter, schreit mir da eine innere Stimme zu. Zum Glück ist da aber noch mein selbstbewusstes Ich: erstmal langsam. 

Geht es allen in unserer Konstellation gut so, wie es ist? Ja. sehr. Es ist manchmal viel, vor allem für mich, bzw. uns Eltern. Aber, ich will es nicht anders. Ich liebe meinen Job. Ich liebe es, mich politisch zu engagieren. Ich brauche es, mir auch über andere Dinge als meinen Familienalltag Gedanken zu machen.

Mindestens genauso wichtig aber: wie geht es meinen Kindern?

Ich will es nicht beschönigen. Die Eingewöhnung war kein Spaziergang. Meine Kinder haben nicht happy “Tschüss Mama” gesagt und sind in die Kita spaziert. Es hat lange gedauert, es gab Tränen. Wir haben uns die Zeit genommen, mussten zum Teil noch einmal extra Urlaub nehmen. Aber es war uns wichtig, dass die Kinder in Ruhe dort ankommen können.

Inzwischen sind beide Jungs “angekommen”. Bei jedem Abholen werde ich euphorisch begrüßt – oder vertröstet, weil das Spiel noch zu ende gebracht werden muss. Der Große hat erste, innige Freundschaften geknüpft. Der Kleine fängt gerade damit an. Die Erzieherinnen sind wichtige Bezugspersonen geworden, denen sie vertrauen. Kürzlich schrieb ich irgendwo: Fremdbetreuung. Jemand korrigierte mich: das sind keine Fremden. Das sind wichtige Menschen im Leben unserer Kinder, denen wir vertrauen. 

Soweit, so gut. Bei uns, ganz individuell ist alles in Ordnung. Was aber sagt die Datenlage? Was macht frühkindliche Bildung mit unseren Kindern?

Schadet die Kita meinem Kind, meine Kinder am Wasser

Frühkindliche Bildung: Blick über den Tellerrand

In Europa leben etwa 31 Millionen Kinder unter 6 Jahren. Nur etwa 5 Millionen Kinder unter 3 Jahren sind in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung. Es ist also mit Blick auf Europa eher die Ausnahme, Kinder im frühen Kleinkindalter betreuen zu lassen. (Quelle: https://eacea.ec.europa.eu/)

Auch in Deutschland wird im Schnitt nur jedes dritte Kind unter 3 Jahren in einer Kita oder von einer Tagespflegeperson  betreut. Gründe dafür, dass Kinder unter drei Jahren weiterhin mehrheitlich zuhause betreut werden sind aber nicht unbedingt darin zu suchen, dass Eltern das für die Entwicklung als negativ empfinden würden. Gründe können auch darin liegen, dass es schlicht keine Plätze gibt oder dass diese kostenpflichtig sind. (Quelle: https://fis.uni-bamberg.de/)

Viel wichtiger als die Frage nach der Inanspruchnahme ist für mich aber: schadet ein früher Kita Besuch meinem Kind? Zunächst mal:

“ (…) alle Kinder und in Teilen Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund [profitieren] besonders von der Inanspruchnahme (qualitativ hochwertiger) Angebote frühkindlicher Erziehung, Bildung und Betreuung (…)”


Quelle: https://fis.uni-bamberg.de/

Vor allem wenn zuhause vielleicht manche Fördermöglichkeiten nicht da sind, kann eine außerfamiliäre Betreuung da kompensieren (Kompensationseffekt). Aber auch davon unabhängig kann die Kita sich gut auf die Entwicklung des Kindes auswirken. Prof. Dr. Yvonne Anders von der Universität Bamberg unterscheidet zwischen kognitiv-leistungsbezogenen und sozio-emotionalen Entwicklungen durch den Besuch einer Kindertagesstätte. Sie kommt zum Schluss, dass Kinder vor allem kognitiv-sprachlich von einer guten Kinderbetreuung profitieren:

“Eine Reihe von Studien fand hinsichtlich der kognitiv-leistungsbezogenen Entwicklung Vorteile von institutioneller Betreuung in den ersten drei Lebensjahren im Vergleich zu informellen Betreuungssettings (z.B. Tagesmutter, Betreuung bei den Großeltern), die zum Teil noch im Grundschulalter nachweisbar waren.”

(Quelle: https://www.researchgate.net/
Schadet die Kita meinem Kind? Geschwister in balance

Streitpunkt emotionale Entwicklung

Bei den sozio-emotionalen Auswirkungen war die Studienlage bislang widersprüchlich. ”Die Erhebungen der NICHD-Studie bis zum Alter von 54 Monaten zeigten, dass ein früherer Eintritt in die Betreuung mit mehr problematischen und weniger prosozialen Verhaltensweisen assoziiert war.” (Quelle: https://www.researchgate.net/)

Dies ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn die Studie scheint nicht repräsentativ zu sein. “Obgleich die Autoren der Studie selbst wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die negativen Effekte lediglich eine kleine Gruppe von Kindern betreffen und nicht in einem klinisch relevanten Bereich liegen, werden sie häufig als Beleg für grundsätzlich schädigende Wirkungen von nicht-mütterlicher Betreuung in den ersten drei Lebensjahren angeführt. Dabei existiert eine Vielzahl von Studien, die keinen Zusammenhang zwischen der Betreuungsart oder dem Betreuungsumfang in den ersten drei Jahren und der sozio-emotionalen Entwicklung fanden.“ (Quelle: https://www.researchgate.net/)

Folgt man den Ergebnissen der Studie von Professor Veit Roessner, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden, wäre ein früher Kitaeintritt sogar positiv für die psychische Entwicklung des Kindes:

“Je früher die Kinder in eine Einrichtung kamen, desto niedriger war das Risiko für psychische Störungen.“

(Quelle: https://www.stern.de)

In der Auswertung verschiedener Studien kommt Prof. Dr. Yvonne Anders zum Schluss, dass für sozio-emotionale Auswirkungen eine Art Nulleffekt zu verzeichnen ist. Kinder entwickeln sich emotional nicht schlechter, weil sie schon früh in eine Kita gehen. Aber auch nicht besser. Es kommt auf die Qualität und den Betreuungsschlüssel an, zum Beispiel.

Schluss mit dem Gebashe unter Müttern: Seid füreinander da!

Es ist, wie so oft im Leben, nicht möglich hier in Richtig und Falsch, Gut und Schlecht zu unterscheiden. Wir als Eltern sind gefragt, unseren Familienweg zu finden. Nachzuspüren, wie es alles Beteiligten in der Situation geht. Bei Kindern in der außerfamiliären Betreuung genauso, wie wenn die Kids zuhause betreut werden. 

Ich würde mir wünschen, dass wir als Eltern und Mütter offener für die Vielfältigkeit von Lebensmodellen werden könnten. Nur weil unser Weg für uns perfekt passt, heißt das nicht, dass andere Familienkonstellationen deshalb falsch sind. Im übertragenen Sinne: viele Wege führen nach Rom. Viele Wege führen zu einer glücklichen Familie und Kindheit. 

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4 Comments

  • Reply Laura 18. Februar 2020 at 09:41

    Ich bin unserer Kita und den Erzieher*innen dort so unfassbar dankbar. Mit einer kleinen, altersgemischten Gruppe haben wir sicher den Jackpot gezogen und ich wünschte mir sehr, dass das nicht Ausnahme sondern Standard für alle wäre.
    Mini hat dort spielend soviel gelernt, sprachlich, kulturell aber auch emotional. Er kümmert sich um andere Kinder, die es zuhause eben (noch) nicht gibt.
    Dein Post ist eine gute Erinnerung mich mal wieder bei diesen wunderbaren Vertrauenspersonen zu bedanken!

    • Reply Sabine Ponath 18. Februar 2020 at 09:46

      Danke für deine tolle Rückmeldung und ja, stimmt, ich sollte auch mal wieder Danke sagen ?

  • Reply Eleonora Neugebauer-Lenhardt 13. September 2020 at 21:16

    Meine Tochter kam mit zweieinhalb” Jahren in den Kindergarten, nur vormittags von 9-13 Uhr. Sie weinte nie und war dort “brav”, aber glücklich war sie nicht. Immer wieder beklagte sie sich über den dauernden Lärmpegel – bei 25 Kindern in der Gruppe kein Wunder. Die Betreuerinnen waren nur zu zweit (eine Pädagogin und eine Helferin)
    In einen anderen Kindergarten wechseln wollte sie dann aber auch nicht. Mit zunehmendem Alter wurde es besser, circa mit 4 freundete sie sich mit einem etwas älteren Mädchen an.
    Heute weiß ich, dass zweieinhalb Jahre für DIESES Kind definitiv zu früh war.
    Mag sein, dass anders geartete Kinder den
    Gruppenbetrieb mögen, aber für MEIN Kind hätte es gereicht, ab dem 4.Geburtstag in den Kindergarten zu gehen.
    Viele Kindergartenpädagoginnen, die ich von meiner Lehrtätigkeit an der Bakipäd kenne, haben die Arbeit in den Kinderkrippen (Betreuung von Kindern unter 3 Jahren) wieder aufgegeben, weil sie es psychisch nicht aushalten und es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, zu zweit 25 Wickel – und Flaschen/Breikinder gleichzeitig zu betreuen.
    Kindergarten sollte mit 3 Jahren beginnen und nur für Kinder, die selbständig essen und die Toilette aufsuchen können.
    Babys und Kleinkinder brauchen intensive individuelle Betreuung in Kleinstgruppen von 5-7 Kindern, aber das gibt es bei uns nur in sündteuren Privatkindergärten.
    Die Gruppengrößen und der Betreuungsschlüssel in den staatlichen Anstalten sind ein pädagogischer Wahnsinn.

    • Reply Sabine Ponath 13. September 2020 at 21:20

      Bei uns geht das zum Glück, der Betreuungsschlüssel trotz staatlicher Kita in Ordnung und die Kinder sehr happy. ??

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