Weg mit dem §219a!

22. Januar 2021

Stellt euch vor, ihr wärt auf eine medizinische Behandlung angewiesen. Sie ist dringend und eilt. Aber bei der Suche nach sachlichen Informationen dazu, müsstet ihr euch auf irgendwelche Online Quellen verlassen, weil Ärzt*innen unter Strafe gestellt werden, wenn sie über deren konkrete Behandlung auf ihren Seiten informieren.

Stellt euch vor, das sei die Realität. Im Jahr 2021.

§219a

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder

2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Zwar wurde 2019 eine Ausnahme vom Bundestag verabschiedet: Absatz 4 des Paragraphen erlaubt Ärzt*innen, Krankenhäusern und Einrichtungen öffentlich ohne Risiko der Strafverfolgung darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Aber: jede sachliche Information zu Schwangerschafts­abbrüchen wird unter Strafe gestellt. Als weitere Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch dürfen nur die der Bundesärztekammer verbreitet werden (vgl §13 Abs. 3 SchKG).  Beim Klick auf die vermeintliche Infoseite wird man aber nur wiederum auf die Seite https://www.familienplanung.de/beratung/ verwiesen, auf der die Frauen sich gleichwohl mit den Tabs Kinderwunsch, Schwangerschaft und Verhütung auseinandersetzen müssen, bevor sie hier an Infos kommen. Warum können diese neutralen Informationen nicht von der Arztpraxis selbst kommen?

Diese sind derzeit grundsätzlich verboten. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Informationen anbietenden Charakter haben oder nicht. Fachleute, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, dürfen gesetzlich bestimmt grundsätzlich nicht mehr informieren. Das ist doch verrückt. Einen vergleichbaren Paragraphen, der Informationen durch die durchführenden Ärzt*innen unter Strafe stellt, gibt es ansonsten scheinbar nirgends.

Weg mit dem 219a!

In dieser Woche wurde die eingelegte Revision der Ärztin Christina Hänel vom OLG Frankfurt am Main verworfen. Die Verurteilung der Gießener Ärztin wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft ist damit rechtskräftig. Nun will sie Verfassungsbeschwerde einlegen:

Der unsägliche Paragraph muss in Frage gestellt werden. Unterstellt er doch, eine Frau würde sich aufgrund von “Werbung” für diesen massiven Schritt entscheiden. Die Wurzeln des §219a liegen im Jahr 1933. Einer Zeit, in der Frauen kaum Recht auf Selbstbestimmung hatten und das Wohl der “Leibesfrucht” über allem anderen stand. Zu dieser Zeit befürchtete das Regime, dass Schwangere erst durch entsprechende Vorbereitungshandlungen überhaupt der Entschluss zur Abtreibung geweckt oder doch zumindest erheblich gefördert würde (vgl. https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/media/2018/01/Geschichte219aBundestag.pdf). Auch nach dem Ende der Nazidiktatur in 1945 wurde nichts an dem Paragraphen verändert und bis heute wurden lediglich weitere Ausnahmetatbestände hinzugefügt, zuletzt eben im Jahr 2019.

Frauen müssen ein Recht auf Information zum Zugang und zur Durchführung von legalen Schwangerschaftsabbrüchen erhalten. Sie müssen ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung erhalten. Deshalb muss der §219a weg. Genauso, wie auch Abtreibungen straffrei sein müssen. Das fordert auch die größte Frauenvereinigung Deutschlands. Frauen müssen einen sicheren Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch erhalten, auch wenn sie sich vorher nicht beraten lassen wollen. Beratungsleistungen müssen ein Angebot sein, aber keine Pflicht.

Es ist unser Körper. Unsere Wahl.

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