Green Border: Warum der Film ein Zeitzeugnis ist

2. Februar 2024

Der Wald ist mein Trost. Mein Ruhepol. Ich liebe den Duft, den weichen Boden, die Abgeschiedenheit. Der Wald… Er ist mindestens 45 Menschen im Sperrgebiet zwischen Belarus und Polen seit 2021 zur Todesfalle geworden (Quelle: Grupa Granica, https://www.instagram.com/p/Csnts2OImO5/).

Von dieser Grünen Grenzzone handelt der Film der Oscar-nominierten, polnischen Regisseurin Agniezka Holland “Green Border”.

2021 inmitten der Wucherungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine lockte der belarussische Diktator Lukaschenka Geflüchtete unter falschen Versprechungen ins Land. Sie wurden seitdem an und über die Grenze zu Polen gebracht. Der polnische Grenzschutz aber hat den Auftrag, sie wieder zurück zu treiben. Europa schaut zu. Ein Albtraum im Niemandsland des Sperrgebiets. Es geht um Leben und Tod. Und um Hoffnungsschnipsel und Menschlichkeit.

Dieser Film “Green Border” erfasst mich deshalb so, weil er eine Fiktion zeigt, die keine ist. Bis heute – auch nach der Abwahl der nationalkonservativen PiS-Regierung ist die Lage der Geflüchteten an den Grenzen nicht wirklich besser.

Ich finde, was Agnieszka Holland geschaffen hat, ist ein Zeitzeugnis. Jede*r sollte diesen Film sehen. Nicht nur ich sehe es so. Nicht umsonst gab es nach der Premierenvorführung minutenlang Standing Ovations. Für den Film. Und für die @grupagranica , die ehrenamtlich versuchen, vor Ort den Menschen in den Wäldern zu helfen.

Der Hass

Seit ich “Green Border” sah, lassen mich so manche Fragen nicht mehr los. (Achtung Spoilergefahr) Wie kommt es zu so krassen Grausamkeiten? Wieso zerschlägt ein Grenzsoldat eine Thermoskanne und gibt Geflüchteten Glasscherben zu trinken? Wieso die Tritte? Die Quälereien? Selbst wenn ich die grundsätzliche Frage nach dem Unrecht (das Grundrecht aus Asyl wird kategorisch ausgehebelt!), welches dort geschieht, beiseite lasse. Also selbst wenn ich soweit gehen würde uns sagen würde: die Grenzbeamten arbeiten im Auftrag und haben keine Wahl. Selbst dann frage ich mich: wieso die zusätzliche Grausamkeit? Auf die Frage hin erklärt die Regisseurin Agnieszka Holland bei der Premiere, es sei nur logische Folge der Propaganda. Geflüchtete seien Verbrecher und Mörder, sie seien pädo- und zoophil wird den Grenzbeamten gesagt. Sie seien eine Gefahr für deren Familien. Immer und immer wieder. Da hebelt es wohl bei den einen oder anderen einen Schalter im Kopf um.

No one is immune to that kind of behavior.

Agniezka Holland

Ich merke, ich muss, will bald Hannah Arendt lesen. Und Zygmund Baumann wieder ausgraben. Und Carolin Emcke.

Und ich frage mich so manches Mal ob die Publizist*innen von all dem Hass, der Hetze, der Lügen und Fake News nicht auch in Deutschland so manche Schuld auf sich laden. Und zur Destabilisierung des Zusammenhalts einen wesentlichen Beitrag leisten. Springer, ja dich meine ich.

Die Hilfe

Aber mir schwirrt auch der Kopf über meine eigene Rolle in all dem. Bin ich die Nachbarin, die den Ehrenamtlichen das Hilfsauto verwehrt, aus Angst vor der Obrigkeit? Agniezka Holland sagte im Rahmen der Premierenvorführung:

Most important is the question: What would you do?

Agniezka Holland

Sie und Hauptdarstellerin Maja Ostaszewska verbrachten vor den Dreharbeiten selbst einige Zeit im Wald nahe des Grenzgebietes und halfen der ehrenamtlichen Organisation Grupa Granica. Sie waren im Gespräch mit Grenzbeamten, Geflüchteten und Helfer*innen. Mit ihrem Film wirbelte Agniezka Holland Polen gerade zu auf. Sie und ihr Team war schwersten Anfeindungen von rechts ausgesetzt, sie benötigte Personenschutz. “Green Border” wurde kurz vor den Wahlen veröffentlicht. Es wurde der erfolgreichste polnische Film im vergangenen Jahr. Zufall oder nicht: die rechtskonservative Regierung wurde abgewählt.

Und ich. Was mache ich?

Genug. Sage ich mir. Aber ist es wirklich so?

Im Jahr 2023 sind mindestens 2.797 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer gestorben. Seit dem Jahr 2014 sind bis zu diesem Zeitpunkt rund 28.547 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. Im Jahr 2016 sind über 5.000 Menschen auf dem Seeweg nach Europa gestorben. (Quelle: Statista)

Was also kann ich tun, auch wenn ich nicht als Ehrenamtliche in der Seenotrettung oder den Wäldern Polens aktiv bin? Was können wir tun?

Spenden an Hilfsorganisationen: Unterstütze Organisationen, die sich für Flüchtlinge engagieren über Spenden, wenn du kannst. Dies können internationale Organisationen wie das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR), das Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen und lokale gemeinnützige Organisationen – wie beispielsweise die Grupa Granica sein. Und auch Leave no one Behind leistet wertvolle Arbeit.

Freiwilligenarbeit: Viele Organisationen suchen nach Freiwilligen, sei es für die Unterstützung bei der Bereitstellung von Grundbedürfnissen, Bildung oder Integration. Wenn du Kapazitäten hast, prüfe, ob es lokale Initiativen in deiner Nähe gibt, die ehrenamtliche Helfer benötigen. Und sei es nur phasenweise.

Bewusstseinsbildung: Informiere dich selbst über die Ursachen von Flucht und teile dein Wissen mit anderen. Sensibilisierung und Bildung können dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und Verständnis für die Situation von Geflüchteten zu fördern.

Politische Unterstützung: Engagiere dich auf politischer Ebene für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik. Das kann bedeuten, Petitionen zu unterschreiben, Politiker*innen zu kontaktieren oder an lokalen Veranstaltungen teilzunehmen, die sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen.

Was habe ich vergessen? Schreibt mir gerne in den Kommentaren

Last but not least: ich verlose bis Sonntag, den 04.02.24 um 18 Uhr zweimal 2 Tickets für “Green Border” und zwar hier:

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